Reise zum Mittelpunkt der Erde
Mein erster Besuch in einer Kohlenmine ging 350 Meter runter, unter Zonguldak. Ich wollte Fotos machen, durfte aber weder Blitzlicht noch sonst etwas benutzen, das Funken erzeugen könnte. Als ich ankam erfuhr ich, dass gerade ein Bergarbeiter gestorben war, weil in einem Stollen die Decke eingebrochen war.
Mit einiger Beklemmung – und gemeinsam mit 75 anderen Männern – kletterte ich in den stählernen, altertümlichen Aufzug, der uns nach unten brachte. In dem zu großen Bergmannshabit und mit dem althergebrachten Bergbauhelm, der um meinen Kopf geschnallt war, war es schwierig, sich zu bewegen. Das einzige Licht kam von der Lampe auf meinem Helm. Zwei Leicas hingen um meinen Hals, eine schwere Metallflasche mit Sauerstoff schlenkerte am Ledergürtel und knallte gegen mich.
Ich ging zwei Mal runter, jedes Mal vier Stunden. Mein Übersetzer und ich richteten unsere Lampen auf das, was sich vor mir einstellte und ich einzufangen versuchte. Nach dem Aufzug kam der laute, seitlich offene Stahlzug; ich war eingeklemmt zwischen freundlichen, hart arbeitenden Männern in ihrer Schicht, die die gleiche schwere Kluft trugen. Immer müde, nickten manche sogar ein, während wir durch die Dunkelheit ratterten. Wir quälten uns zu Fuß durch Tunnel, kletterten über Geröll, umgingen Wasser und niedrige Decken aus schwarzer Kohle, die von schweren Balken gestützt wurden. Manchmal konnten wir nur krabbeln. Einmal wurde ich auf ein Förderband gezogen, kauerte dort und hielt mich an meinem Vordermann fest, während wir eine steile Steigung hinauf in die Dunkelheit fuhren.
Bülent Bahadir, seine Frau Meryem und ihre beiden Kinder leben Tür an Tür mit Bülents Vater, der selbst ein pensionierter Bergarbeiter ist. Ihre Häuser blicken auf die trostlosen Schemen der Mine unter ihnen. Am Turm erstrahlt ihr Name, Üzülmez, in Neonlicht die ganze Nacht über. Die Familienbande sind eng, zusammengehalten durch die besondere Arbeit und die allgegenwärtige Gefahr des Bergbaus. Bülent bat mich mir vorzustellen, dass ich während der nächsten 30 Jahre täglich aufwache und weiß, dass ich in die Mine gehen werde. Meryem lächelte kläglich: „Wenn ich sehe, wie mein Mann sich nach Hause schleppt, denke ich ,Gott sei Dank! Er hat es einmal mehr lebendig herausgeschafft!‘“